Der Lauf – das Fazit

Axel schreibt:

Da ich nach der letzten Etappe gestern nicht zum Schreiben kam: heute, um einen Tag verspätet, der Bericht:

Wegen der sehr ungünstigen Wettervorhersage hat der Veranstalter, in Absprache mit der Bergwacht, entschieden, die Strecke für den letzten Tag zu ändern. Statt auf die Zugspitze zu laufen, sind wir „nur“ etwa 15 km mit 700 Höhenmetern zur Reintalangerhütte und zurück gerannt. Das ist eine gut laufbare und landschaftliche sehr schöne Strecke. Natürlich nicht der absolute Höhepunkt. Aber der Lauf zu Sonnalpin wäre im Nebel und Schnee auch nicht zu genießen gewesen.

Also hier auch mal ein Lob an den Veranstalter für die zwar zunächst unpopuläre, aber im Nachhinein vollkommen richtige Entscheidung.

Für mich war es besonders schön, weil Gerlinde mitgelaufen ist. Wir sind die 30 Kilometer zusammen geflitzt und am Ende musste ich Gerlinde bremsen, weil ich auf dem schwierigen Untergrund nicht hinterherkam.

Als wir auf dem Rückweg kurz vor’m Eingang zur Partnachklamm waren, kam uns schon wieder Rene Spintler mit seiner Freundin Christiane entgegen. Die beiden machen Kurzurlaub in Ehrwald und haben sich gedacht, dass sie uns vielleicht treffen und anfeuern können.Total durchgeknallt, der Typ. Aber genau dafür lieben wir ihn!

Platzierungen, Ranglisten, usw. interessieren mich an dieser Stelle nicht und ich erspare euch den „sportlichen“ Rückblick. Viel mehr möchte ich, ohne lange darüber nachzudenken, kurz loswerden, was ich in den letzten drei Wochen mit mir erlebt habe.

„Man reist nicht um anzukommen, man reist um unterwegs zu sein“. Ich weiß nicht, ob das Zitat von Dschingis Khan oder Goethe ist, aber es passt auch verdammt gut auf den Deutschlandlauf. Wir sind durch Deutschland gereist und alle hatten ein Ziel: auf der Zugspitze ankommen. Unabhängig davon, dass wir nicht ganz oben waren, hat sich gestern aber ein seltsames Gefühl in mir, und ich denke in vielen der Mitläuferinnen und Mitläufern, breit gemacht. Irgendwie war die Reise jetzt zu Ende und keiner wollte das wahr haben. Natürlich waren erst mal alle froh, dass die körperlichen Strapazen jetzt vorbei sind. Aber ich wette, dass 70% aller Teilnehmer heute weiter gelaufen wären, wenn man sie vor die Wahl gestellt hätte. Klar, alle wollen heim zu ihren Familien und Freunden, aber irgendwie sind wir auch Familie geworden und es ist einfach ein schönes Gefühl, wenn man unter seinesgleichen ist und nicht bewertet wird. Ich meine damit, dass in dieser Gemeinschaft der Erste genauso wichtig war wie der letzte, oder wie die, die ein paar Etappen ausgesetzt haben. Jeder hat sich mit dem anderen gefreut und mitgelitten, wenn es mal nicht gelaufen ist. Neid und Missgunst begegnen mir im normalen Leben täglich tausendfach. In den letzten drei Wochen habe ich das kein einziges mal auch nur m Ansatz beobachtet.

Ob der Deutschlandlauf mein Leben verändern wird? Ich hoffe nicht, denn ich mag mein Leben so wie es ist. Aber sicher wird der Deutschlandlauf meine Sicht auf mein Leben und meine direkte Umwelt beeinflussen.

Ich habe mir von jedem einzelnen meiner Mitläuferinnen und Mitläufer etwas abgeguckt. Mario, ein wahnsinnig starker Läufer und ein so feiner Kerl, dass mir fast die Worte fehlen. Und immer froh und glücklich mit dem was er gerade tut. Vollkommen frei von Neid und Missgunst. Oder Michael, immer am Lachen. Auch wenn es ihm scheisse ging, war er gut drauf. Warum sollte er auch anderen gegenüber schlecht drauf sein, wenn es ihm selbst nicht gut geht. Der andere kann ja nix dafür. Beat, ein Läufer aus der Schweiz, der wie ein schweizer Uhrwerk gelaufen ist und sich von nix aus der Ruhe bringen lässt. Aber trotzdem fragt, ob es mir gut geht und ob ich auch genug zu trinken dabei habe. Ich könnte zu jedem etwas sagen, aber es würde den Rahmen sprengen.

Das geimsame Ziel und die große Liebe zu unserem geimsamen Hobby, weil exakt das ist es am Ende, hat eine Gemeinschaft gebildet, die ich noch nie irgendwo erlebt habe und ich fürchte auch, dass ich so etwas so schnell nicht nocheinmal erlebe.

Wer könnte vom Deutschlandlauf lernen? Eigentlich alle Entscheidungsträger. Sei es im Beruf, im Verein oder in der Politik. Bring Leute zusammen, die ein gemeinsames Ziel haben. Bilde vernünftige Rahmenbedingungen und lass jeden das tun, was er am besten kann. Bewertet nicht jeden nach der individuell erbrachten Leistung und messt nicht jeden mit dem gleichen Maßband, sondern guckt euch an, was der Einzelne zum Gelingen des Ganzen beiträgt. Der kleine Beitrag ermöglicht es aber vielleicht erst, dass der „Highperformer“ seine volle Leistung abrufen kann.

Ich schweife ab. Ich fand´s klasse und ich habe es gut gemacht.

Danke für´s Lesen. Hat mir gut getan abends den Tag mit meiner Gute-Nacht-Geschichte abzuschließen. Ich glaube nicht, dass ich jetzt täglich Kochrezepte oder Schminktipps veröffentliche, also müsst ihr jetzt erst mal zwei Jahre auf Nachrichten von mir warten. 2021 gibt es ja wieder einen Deutschlandlauf.

Und dann noch: Danke Gerlinde. Ich liebe Dich. Und mehr kann ich dazu nicht sagen.

Axel

3 Kommentare zu „Der Lauf – das Fazit“

  1. Dagmar Weigand

    Super schön geschrieben, lieber Axel.
    Noch einmal Hut ab vor dieser Leistung!
    Aber auch schön, dass es jetzt vorbei ist und du und Gerlinde uns freitags wieder zum Laufen begleitet!
    Freue mich euch wieder zu sehen.
    Gruß Dagmar Weigand

  2. „Nur wer riskiert weit zu laufen, kann überhaupt herausfinden, wie weit er laufen kann“. Das Motto des SoNuT trifft es auf den Punkt.
    Was für eine Leistung! Glückwunsch.
    Ich denke die Erfahrungen so einer Herausforderung oder einer kleineren, helfen jedem weiter. Habe mein bescheidenes, persönliches Ziel auch erreicht. 4 Ultras in 12 Monaten. Das war für meine AK schon anstrengend. Aber 19 in 19 Tagen sind dann eine andere Dimension.
    Wünsche gute Erholung.
    The way is the goal:-)
    Gruß Klaus

  3. Lieber Sportkamerad Axel,
    mit Deinem Abschlusskommentar vom 7.September hast Du mir voll aus dem Herzen gesprochen!!! – Erhole Dich gut, ich versuche es auch. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir uns einmal irgendwo auf einer Strecke wieder begegnen würden. Viele Grüße vom Roller-Peter

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